Rückblick

Informationen zu Aufführungen des Bachchors 2001-2003

 

Sonntag, 18. Mai 2003 / 20.00 Uhr Martinikirche

DIE SCHÖPFUNG

Oratorium von Joseph Haydn

Mitwirkende:

Bachchor St. Simeonis · Junges Kammerorchester Minden

Solisten:
Jacqueline Treichler (Sopran)  · Johannes-Christoph Happel (Bass) · Lothar Odinius (Tenor)

Leitung: Rainer Winkel

 

Wir danken der Gemeinde St. Martini, dass sie uns ihre
Kirche für dieses Konzert zur Verfügung gestellt hat.

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SOLISTENPORTRAITS

Jacqueline Treichler (Sopran)

wurde in Zürich geboren. Erst nach einem abgeschlossenen Klavierstudium in Luzern entschied sie sich, Gesang bei Prof. Sylvia Geszty am Konservatorium Zürich zu studieren, dort legte sie ihr Gesangsdiplom ab. An die Ausbildung schlossen sich das Internationale Opernstudio in Zürich und Meisterkurse bei Sena Jurinac, Hilde Zadek und Luisa Bosabalian an.
Sie erhielt mehrere Stipendien der Kiefer-Hablitzel-Stiftung Bern und der Dienemann-Stiftung Luzern und Anerkennungen als Preisträgerin des Othmar-Schoeck-Wettbewerbs in Luzern 1993, und als Finalistin am Francisco-Vinas-Wettbewerbs in Barcelona 1994 und am Belvedere-Wettbewerb in Wien 1995.
Es folgten erste Opernengagements, als Donna Anna im Don Giovanni am Forum in Hamburg 1995, und in derselben Rolle 1996 als Gast am Staatstheater Oldenburg. 1997- 2000 war sie am Staatstheater Braunschweig fest engagiert, wo sie unter anderem als "Donna Elvira" im "Don Giovanni" , "Tatjana" in Eugen Onegin", "Rosalinde" in "Die Fledermaus" zu hören war. Gastverträge führten sie u.a. an die Oper an der Saar, nach Zürich, Lübeck, Oldenburg und Magdeburg.
Sie hat mit Orchestern wie der Südwestdeutschen Philharmonie, der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, der Anhaltischen Philharmonie Dessau und der Staatsphilharmonie Halle zusammen gearbeitet.
Heute ist Jacqueline Treichler sowohl als Opern-, Konzert- und Liedsängerin tätig. 1996 machte sie ihre erste Radioaufnahme beim Schweizer Radio DRS2. Mittlerweile sind diverse CD-Einspielungen erschienen.

Johannes-Christoph Happel (Bass)

studierte zunächst Kirchenmusik; daran anschließend Gesangsstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Nach seinem Opern- und Konzertexamen verpflichtete ihn Mario Venzago an das Theater der Stadt Heidelberg.
Seit 1991 ist er freischaffend als Gast an der Oper Bonn, dem Badischen Staatstheater Karlsruhe und der Bayerischen Staatsoper, den Festspielen in Antwerpen, Berlin, Halle, Ludwigsburg, Schwetzingen, Stuttgart, dem Jerusalem Festival, den Wiener Festwochen, den Wratislavia Cantans und den Münchener Opernfestspielen tätig. Dabei arbeitete er mit Dirigenten wie Frieder Bernius, Nikolaus Harnoncourt, Thomas Hengelbrock, Philippe Herreweghe, Ton Koopman, Sigiswald Kuijken, Gustav Leonhard zusammen.
Als Konzertsänger beschäftigt sich Johannes-Christoph Happel vorwiegend mit der Musik des Barock und arbeitet mit verschiedenen renommierten Ensembles und Dirigenten zusammen. Neben der für diese Epoche typischen Bass-Literatur stellen Kompositionen der Wiener Klassik, Liedkompositionen und Oratorien der Romantik sowie zeitgenössische Musik einen wichtigen Bestandteil seines Repertoires dar.

Lothar Odinius (Tenor)

geboren in Aachen, studierte von 1991 bis 1995 Gesang an der Hochschule der Künste in Berlin bei Anke Eggers und machte die Abschlussprüfung mit Auszeichnung. Er besuchte Meisterkurse bei Ingrid Bjoner, Bernd Weikl, Alfredo Kraus sowie die Meisterklasse von Dietrich Fischer-Dieskau.
Eine rege Konzerttätigkeit sowie CD- und TV-Aufnahmen führte ihn mit Dirigenten wie  Dietrich Fischer-Dieskau, Helmuth Rilling, Frieder Bernius, Philippe Herreweghe, Enoch zu Guttenberg, Ton Koopman, Bruno Weil, Thomas Hengelbrock, Ralf Weikert, Heinz Holliger, Peter Schreier, Claus-Peter Flor, James Conlon, Nikolaus Harnoncourt und Claudio Abbado zusammen.
Lothar Odinius wirkte mit bei den Festspielen in Bad Hersfeld, Ludwigsburg, dem Schleswig-Holstein- Musik-Festival und der Schubertiade Feldkirch / Hohenems. Im August 2000 debütierte er bei den BBC Proms-Konzerten in der Royal Albert Hall, London.
Von 1995 bis 1997 war er als lyrischer Tenor am Staatstheater Braunschweig engagiert. Gastverträge führten ihn als Opernsänger u.a. zu den Haydn-Festspielen in Eisenstadt, ins Opernhaus Zürich, ans Nationaltheater Mannheim, zur Königlichen Oper Kopenhagen und ans Landestheater Salzburg.
In diesem Jahr wirkte er auf Einladung der Bachakademie Stuttgart in J.S. Bachs Matthäuspassion während einer Italientournee u.a. in Mailand, Rom und Neapel mit. Gegenwärtig singt Lothar Odinius am Landes- theater Salzburg den Ferrando in der Mozartoper Cosi fan tutte.
Von Lothar Odinius liegen viele CD-Einspielungen vor, so z.B. von Haydn "Die Schöpfung" bei Farao Classics, und viele andere bei den Firmen EMI, Orfeo, Hänssler, cpo und Arte Nova.

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Junges Kammerorchester Minden

Im Juni 1969 trat das Junge Kammerorchester Minden mit einem vielbeachteten Konzert zum ersten Male an die Öffentlichkeit. Damals erklangen Werke von Gabrieli, Bach, Mozart und Hindemith, die Leitung lag in den Händen von Rainer Winkel, der bis heute künstlerischer Leiter des Ensembles ist.

Inzwischen hat das Orchester eine fast unübersehbare Fülle von Werken aller Stilrichtungen - vom Frühbarock bis zu Uraufführungen zeitgenössischer Musik - erarbeitet und in nahezu 200 Konzerten einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. Die Konzerte fanden zu etwa einem Drittel in Minden statt, die anderen verteilen sich auf viele Städte Nord- und Westdeutschlands; Auslandsreisen führten das Ensemble nach Schweden, Italien, Polen und in die Niederlande.

Der besondere Charakter des Orchesters liegt in seiner Zusammensetzung und Arbeitsweise. Zu den verschiedenen Projekten treffen sich sehr engagierte und musikalisch fortgeschrittene Laien, Musikstudenten und inzwischen auch einige Berufsmusiker, die oft erste Konzerterfahrungen als Schüler in eben diesem Ensemble machten. Ihnen allen liegt das Eindringen in eine Komposition durch intensive und oft ausdauernde Probenarbeit am Herzen. Sie haben ihre eigenen Qualitätsansprüche hoch gesteckt und bemühen sich immer wieder, diesen Ansprüchen so nahe wie möglich zu kommen.

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Gestaltung der Erstausgabe · Uraufführung: Wien, 1798

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Hinweise zum Werk 'Die Schöpfung'
von Joseph Haydn

von Manfred Prante

Nachdem der Bachchor St. Simeonis Minden bereits zweimal Haydns Oratorium 'Die Jahreszeiten' aufgeführt hat, erklingt heute das bekanntere, sicher nicht weniger bedeutsame Oratorium 'Die Schöpfung'. Musikwissenschaftler stellen bei der Würdigung von Haydns komposito rischen Leistungen stets heraus, dass er bis in sein sechstes Lebensjahr zehnt in relativer Abgeschiedenheit gelebt hat. Nach seinem Biographen Griesinger soll der Komponist selbst gesagt haben: "Ich war von der Welt abgesondert, niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irre machen und quälen und so musste ich orginal werden". Die folgenden kurzen Lebensdaten bestätigen diese Feststellung.

Joseph Haydn wird als Sohn eines Wagenbauers am 1. April 1732 in Rohrau (Niederösterreich) geboren. Mit 14 Jahren wird er in Wien Sängerknabe und erhält dort praktischen Musikunterricht. Sein Musikstudium muss er sich durch Privatstunden verdienen. Mit 27 Jahren übernimmt er die Leitung einer gräflichen Kapelle in der Nähe von Pilsen, zwei Jahre später ist er zweiter Kapellmeister am Hofe des Fürsten Esterhazy am Neusiedler See. 1766 wird er dort alleiniger Dirigent bis zur Auflösung des Orchesters im Jahr 1790. Haydn erhält ein Ruhegeld und zieht nach Wien. Frei von dienstlichen Verpflichtungen unternimmt er auf Einladung des Musikveranstalters Salomon zwei erfolgreiche Reisen nach England (1790-92) und 1794-1795. In verschiedenen Aufführungen lernt Haydn mehrere Oratorien von Händel kennen und ist von der Klangwirkung stark beeindruckt.

Von seiner zweiten Englandreise bringt Haydn ein Textbuch über die biblische Schöpfungsgeschichte mit, das Lidley ein halbes Jahrhundert zuvor nach John Miltons Epos 'Paradies Lost' für Händel verfasst hat. Der in Wien als Präfekt an der Kaiserlichen Hofbibliothek tätige Baron Gottfried van Swieten (1733 - 1803) übersetzt und ergänzt dieses Libretto und nennt das Werk 'Die Schöpfung'.

In den Jahren 1795-1798 komponiert Haydn das dreiteilige Werk, das am 29. April 1799 in Wien erstmalig aufgeführt wird. In den ersten beiden Teilen treten die Erzengel Gabriel (Sopran), Uriel (Tenor) und Raphael (Bass) als Berichterstatter und Verehrer Gottes auf, die die himmlischen Heerscharen (Chor) meistens zum Lobpreis des gerade Erschaffenen animieren. Der erste Teil umfasst vier Schöpfungstage, an denen Gott aus dem Chaos die Erde, das Firmament, die Pflanzenwelt, Tag und Nacht mit den Gestirnen werden lässt. Der zweite Teil schildert die Erschaffung der Meerestiere und der Vogelwelt am fünften, und das Werden der auf dem Festland lebenden Tiere und des Menschen am sechsten Tag. Im dritten Teil wird das Leben im Paradies dargestellt, Sopran und Bass repräsentieren jetzt Eva und Adam, Tenor und Chor behalten ihre bisherigen Rollen.

Die Einleitung zum ersten Teil ist durch Formlosigkeit und Unordnung gekennzeichnet. Es treten nahezu alle nur denkbaren Notenwerte auf, verschiedene Rhythmen sind gleichzeitig zu hören, es sind nur thematische Rudimente zu vernehmen, Dissonanz und Auflösung werden mit einer in der klassischer Musik beispiellosen Kühnheit ineinander verschränkt, so dass der Wechsel von Spannung und Lösung, das Grundprinzip tonaler Musik, aufgehoben ist. Dissonanzen, Vorhaltsbildungen, aus dem Piano hervorbrechende Fortissimo-Akkorde verwirren unser Ohr, die Einleitung wird im Piano mit einem c-moll-Akkord beschlossen. In diesem Augenblick der scheinbaren Ruhe beginnt der Bass seinen Bericht vom ersten Schöpfungstag, dessen Beschreibung vom Chor mit 'Und der Geist Gottes schwebte auf der Fläche der Wasser' fortgesetzt wird und schließlich nach einem Unisono zum strahlenden C-Dur-Klang führt, der das Erscheinen des Lichtes symbolisiert. Die Überwindung des Chaos werden vom Engel Uriel und vom Chor musikalisch eindrucksvoll dargestellt. In wirkungsvollen musikalisch nachgezeichneten Bildern werden die Geschehnisse der folgenden Schöpfungstage wiedergegeben. Den ersten Teil beschließen Solisten, Chor und Orchester leicht und beschwingt mit dem bekannten Chorsatz 'Die Himmel erzählen die Ehre Gottes', der mit einer Fuge mit dem Text 'Und seiner Hände Werk zeigt an das Firmament' endet.

Der zweite Teil beginnt ohne Einleitung mit dem Bericht vom Erschaffen der Meerestiere und der Vogelwelt. In der folgenden Arie Gabriels zeichnet Haydn den Flug des Adlers, das Aufsteigen der Lerche, das Girren des Taubenpaares vokal und instrumental einfallsreich nach. Auch einige am sechsten Tag erschaffene, auf dem Festland lebende Tiere werden phantasievoll musikalisch dargestellt, so z.B. der Löwe, der mit tiefem Kontrafagott-Triller brüllt, oder der Hirsch, den eine Jagdmusik begleitet. Im Schlusssatz dieses Teils preist der Chor in einer kontrapunktisch und harmonisch reichen Fuge das vollendete Werk.

Mit einem Orchestervorspiel im hellen E-Dur-Klang wird der dritte Teil eröffnet, der das paradiesische Leben vor dem Sündenfall schildert. Von Uriel aufgefordert, stimmen die himmlischen Heerscharen (Chor) in den Lobgesang ein, den Adam und Eva im Duett beginnen. Nach einem ausdrucksvollen Rezitativ verbinden sich die Baßstimme Adams und die Sopranstimme Evas zu einem Zwiegesang, der einem opernhaften Liebesduett gleicht. Der klangvoll instrumentierte Schlusschor besteht aus einer kurzen Einleitung, gefolgt von einer Fuge mit der Textunterlegung 'Des Herren Ruhm, er bleibt in Ewigkeit' und einem relativ kurzen Schluss. Die Fuge wird durch eingeschobene, in Terzenkoleraturen geführte Amen-Rufe der Solostimmen in zwei Teile gegliedert.

Als abschließende Bemerkung zu Haydns Schöpfung zitiere ich aus Metzlers Komponisten Lexikon:

'Die Einheit des ganzen Werkes ist immer wieder gerühmt worden, der in allem hörbare Tonfall elementarer Klarheit, einfacher Unmittelbarkeit und allgemeiner Gültigkeit, prachtvoller Größe und doch inniger Ausdruckskraft. Beide Oratorien, auch die Jahreszeiten, sind zugleich die Summa Haydn'schen Werkes: eine Summa jener kompositorischen Mittel, zu denen Haydn vor allem in der Sinfonie gefunden hatte. So gesehen sind jedenfalls die Oratorien eine (letzte) Steigerung der epochalen Leistungen Haydns.'

Manfred Prante

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Zur MT-ONLINE Berichterstattung

vom 20.5. 2003 / Mindener Tageblatt

"Triumph der Ordnung"

Winkel und Bachchor St. Simeonis bieten mysterienfreie "Schöpfung"

Von Udo Stephan Köhne

Minden (usk). Ist es nicht jedes Mal das gleiche? Hört man, wie Joseph Haydn in seinem Oratorium "Die Schöpfung" den gelenkig emporschießenden Tiger und den vor Freude brüllenden Löwen musikalisch ausmalt, möchte der intellektuelle Genießer gern abfällig lächeln.

Liegt doch die Vermutung nahe, hier habe in alter Zeit ein Komponist allzu naive Mittel zur Schilderung etwas Außerordentlichen eingesetzt. Dabei ist hier und an anderer Stelle nichts weniger als die Aufklärung gegenwärtig. Und das nicht nur in Gottfried van Swietens Textbuch, sondern gerade auch in Joseph Haydns Musik, die mit einer Klarheit ohnegleichen schildert und doch das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses ist: stets das Gegenteil kompositorischer Einfachheit. Kunstfertigkeit tritt hier absichtsvoll hinter einen betont volkstümlichen Tonfall zurück.

Was übrigens bereits ein Uraufführungsbericht bemerkt: "...und was mir gar gut gfalln hat, es ist hoch gschriebn, und doch verständlich dabei." Fast schon eine Handlungsanweisung zur Haydn-Interpretation. Die Meisterschaft der Komposition achten, aber zugleich den "einfachen" Ton der Musik treffen, dies die Botschaft. [...]

zum vollständigen Artikel: http://www.mt-online.de/kultur/t00126399.htm

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Die Werbemaßnahmen für das Konzert “Die Schöpfung” wurden unterstützt durch
Fa. Wago Kontakttechnik GmbH, Sparkasse Minden-Lübbecke,
Musik-Rührmund

 

 

 

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Sonntag, 13. Mai 2001  um 18.00 Uhr

St. Marienkirche Minden

DIE JAHRESZEITEN

Joseph Haydn

Die Mitwirkenden:

Bachchor St. Simeonis, Junges Kammerorchester Minden, Bläsersolisten u.a.m.

Solisten:

Sabine Ritterbusch:  Hanne, Sopran · Lothar Odinius: Lukas, Tenor
· Johannes-Christoph Happel: Simon, Bass

unter der Leitung von Rainer Winkel

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Zum Konzert-Abend und zur historischen Aufführungspraxis

von Rainer Winkel

Die heutige Aufführung von Joseph Haydns “Jahreszeiten” wird wesentliche Erfahrungen der historischen Aufführungspraxis aus den vergangenen Jahrzehnten berücksichtigen. Unter anderem wird in der für das späte 18.Jahrhundert üblichen tieferen Stimmung (a’ = 430 Hertz) gespielt.

Der folgende Artikel wurde für eine Aufführung von Mozarts C-Moll-Messe im Jahre 1991 verfasst. Er behält meiner Auffassung nach auch heute noch – 10 Jahre später – uneingeschränkt seine Gültigkeit. Natürlich gilt er sinngemäß auch im Hinblick auf Haydns Musik.

Was die Verwendung historischer Instrumente betrifft, müssen wir heute allerdings leider einen Kompromiss eingehen: Die Bläser spielen zwar auf klassischen Instrumenten, während die Streicher auf “modernen” Instrumenten musizieren. Der Grund ist einfach zu erläutern: Die spieltechnischen und klanglichen Anforderungen Haydns sind so hoch, dass wir das musikalische Risiko durch Verwendung historischer Instrumente nicht noch unnötig erhöhen wollen. Es würde entweder Spieler voraussetzen, die ausschließlich historische Instrumente spielen, oder es würde wesentlich mehr Probenzeit erfordern als wir ermöglichen können.

Der Verzicht auf historische Instrumente soll indes keineswegs einen Verzicht auf historische Aufführungspraxis bei den Streichern bedeuten. Denn erstens sind die Fragen der Artikulation auch auf “modernen” Instrumenten weitgehend zu lösen, und zweitens lässt sich so manche Klangfarbe der historischen Instrumente übertragen. Ein Kompromiss bleibt es allemal – wir sind selbst gespannt, wie er gelingt.

Es kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass im heutigen Musikleben die Musik der Romantik dominiert und dass die musikalische Ausbildung sich weitgehend an den Erfordernissen dieser Musik orientiert: größtmögliche Gleichmäßigkeit, glatter, schlackenfreier Klang, intensives legato, große musikalische Linie. Dazu gesellt sich als "Errungenschaft" - wohl erst unseres Jahrhunderts - ein meist unreflektiertes Dauervibrato. Die Berechtigung dieser Tendenzen soll hier nicht untersucht werden. Es ist allerdings zu fragen, ob diese Praxis auch der Musik früherer Stilrichtungen angemessen ist, auf die sie bedenkenlos angewendet wird, ob es nicht naheliegender und sinnvoller ist, sie aus ihrem gewachsenen historischen Kontext zu musizieren, statt sie aus der Sicht des (späten) 19.Jahrhunderts - nicht vorwiegend aus historischem Interesse, sondern um so möglicherweise einen lebendigeren und transparenteren Klang zu erreichen.

Das Bemühen um eine, an den historischen Voraussetzungen orientierten Aufführungspraxis äußert sich vornehmlich in zwei Aspekten:

1. Fragen der Artikulation
2. Verwendung historischer Instrumente

Artikulation ist die Gliederung der Musik in sinnvolle Abschnitte und deren musikalische Durchgestaltung, die beim Einzelton beginnen kann und sich bis hin zu längeren Figurenketten erstreckt. Binden und Stoßen der Töne, das Legato und vielfältige Arten des Staccato und deren Mischung, Betonung und Akzente, bewusste Behandlung von Dissonanzen und deren Auflösung, Kleindynamik, agogische Schwankungen auf engstem Raum sind Mittel der Artikulation. Für die Praxis besteht das Problem einerseits darin, daß die relativ wenigen Artikulations-Zeichen (Bogen, Punkt, senkrechter Strich u.a.) mehrere Jahrhunderte die gleichen geblieben sind, ihre Bedeutung sich aber zum Teil erheblich gewandelt hat, zum anderen, dass die Komponisten - Bach macht hier allerdings Ausnahmen - häufig nur dann Artikulations-Zeichen gesetzt haben, wenn die Ausführung vom Üblichen und allen Musikern Selbstverständlichen abweichen sollte. Auch die schönste Urtext-Ausgabe nützt also nichts, wenn man sie nicht im richtigen Zusammenhang lesen kann. Man muss sich also wie bei einer Fremdsprache mit den Grundlagen des Musikverständnisses der jeweiligen Stilrichtung auseinandersetzen.

Zum erweiterten Problemkreis der Artikulation gehört auch das Vibrato. Seit Monteverdis Zeiten wird Vibrato als besonderes und starkes Ausdrucksmittel eingesetzt. Heute ist die umgekehrte Praxis üblich: das Dauervibrato wird bestenfalls gelegentlich zum Zwecke eines besonderen Ausdrucks unterbrochen - ganz unabhängig ob es sich um Bach, Mozart, Brahms oder Strawinsky handelt. Sicher ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich in einem Sinfonieorchester den Versuch zu unternehmen, dieser klanglichen Uniformierung entgegenzutreten, aber es kann eigentlich kein Zweifel bestehen, dass eine stilistisch ernst zu nehmende Mozartinterpretation auch an der sparsam und möglichst bewussten Verwendung von Vibrato zu erkennen ist.

Ein unschätzbarer Vorteil bei der Verwendung historischer Instrumente besteht zunächst einmal darin, dass ihre Spieler sich meist mit den Prinzipien der "Klangrede" vertraut gemacht haben. Ferner lassen sich viele Artikulations-Probleme leichter lösen; allein schon durch die Benutzung des Barock-Bogens, der kürzer und leichter ist,der weniger Haare hat und einen anderen Schwerpunkt, lassen sich die meisten "Stricharten" ganz natürlich bewältigen - hingegen ist ein romantisches Sostenuto mit dem Barockbogen kaum darstellbar. Die Instrumente historischer Bauart haben zudem Eigenschaften, die gerade auch im Zusammenwirken mit einem Chor, aber natürlich auch untereinander eine wunderbare Transparenz des Klanges ermöglichen: sie klingen zwar zarter, aber dafür obertonreicher und haben einen Klangfarbenreichtum, der von den "modernen" Instrumenten, die ja in Wahrheit die Instrumente des 19.Jahrhunders sind, nicht annähernd erreicht wird. Der Klang ist daher charakteristischer oder wie es in Fachkreisen gern heißt: er ist sprechender - das betrifft das Einzelinstrument ebenso wie die Mischung instrumentaler Klangfarben. Zudem lösen sich die Probleme der Balance zwischen Streichern, Holzbläsern und sogar Blechbläsern nahezu von selbst. Der Streicherklang z.B. wird nicht von den Blechbläsern erdrückt - die Blechbläser ihrerseits müssen nicht ständig mit halber Kraft spielen, um ihre klangliche Übermacht zu verhindern.

Wer als Musiker oder als Hörer einmal der Faszination des Farbenreichtums historischer Instrumente erlegen ist, wird eine Aufführung mit "modernen" Instrumenten immer als Kompromiß betrachten.

 

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So stand es im Mindener Tageblatt  am 15.05. 2001

Konzert mit Werkstatt-Charakter

"Die Jahreszeiten" mit Bachchor und Jungem Kammerorchester Minden

Von Udo Stephan Köhne

Minden (usk). Das Popularitätsdefizit von Joseph Haydns "Jahreszeiten" gegenüber der häufiger gespielten "Schöpfung" zu brechen, dafür haben sich viele Interpreten mächtig ins Zeug gelegt.

Doch jede noch so überzeugende Aufführung und selbst hoch gepriesene CD-Einspielungen haben es nicht ändern können: die "Jahreszeiten" bleiben das ungeliebtere Werk. Was allein schon den zeitlichen Dimensionen des Stückes anzukreiden ist, aber auch an der eben nicht auf einen Höhepunkt zielenden Dramaturgie liegen dürfte.

Diese Erzählstruktur auf eine Dauer von fast drei Stunden musikalisch lebendig zu erhalten, stellt selbst bedeutende Dirigenten vor Probleme. Und diese lassen daher die Finger von einer Komposition, die viel Aufwand bei vergleichsweise hohem Risiko des Scheiterns beinhaltet.

Die an der historischen Aufführungspraxis orientierte Aufführung in St. Marien unter Leitung von Rainer Winkel ließ dies hörbar werden. In ihr trafen Momente von hoher Suggestionskraft auf Sätze, denen die Spannung fehlte, standen instrumentalen Glückserlebnissen Abstürze und Unsauberkeiten gegenüber, die zerstörten, was zuvor aufgebaut worden war.

Besonders betroffen das Junge Kammerorchester Minden, das eifrig für Haydn stritt, aber mit ziemlich stumpfer Waffe. Dennoch stellte sich jenes Aufmerksamkeit erregende Gefühl ein, das immer aufgerufen wird, wenn das zarte Klangbild alter Instrumente dem Hörer neue Einsichten beschert. Und diese waren auch in Rainer Winkels Deutung nicht gerade selten.

Weniger pompös, dafür filigraner, im ganzen kammermusikalischer gedacht war dieser Haydn angelegt, mit häufig frappierender Genauigkeit bei der Realisation dynamischer Abstufungen. Dennoch kein vor Dürre erzitternder Klassiker, sondern ein vielerorts auch kraftstrotzender Komponist war es, der dem Hörer entgegentrat. [.....]
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